Die Anatomie der Frauenfreundschaft

Bildquelle: istockphoto von Manuta

Frauenfreundschaft passiert nicht einfach - und genau das macht sie so besonders, aber eben auch zerbrechlich…

Die Forschung bestätigt inzwischen, was viele Frauen längst spüren oder sogar wissen: Frauenfreundschaften funktionieren einfach irgendwie anders als Männerfreundschaften – intuitiv, stärkend und intensiv, aber auch komplex und herausfordernd … und: somit auch konfliktanfälliger.

Doch woran liegt das eigentlich? Und zeigen sich immer wiederkehrende Muster oder Merkmale? Gibt es tatsächlich wissenschaftliche Hinweise darauf, wie diese besondere Verbindung entsteht - und was sie so besonders macht?

Doch vielleicht fragst Du Dich gerade auch: Ist das wirklich ein Thema in einer ganzheitlichen Praxis?
Dann lautet meine Gegenfrage: Wie könnten soziale Bindungen, Beziehungen und Freundschaften keine Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben - vor allem, wenn sie uns täglich begleiten, prägen und formen?

Wir sprechen also darüber, welche Bedeutung Freundschaften allgemein für unsere körperliche und seelische Gesundheit haben - und was Untersuchungen über soziale Verbundenheit und Resilienz in diesem Zusammenhang zeigen. Und auch darüber, welchen sogenannten “Kernprinzipien” Frauenfreundschaften im Speziellen laut Wissenschaft folgen.

Warum lohnt sich dieser Blick auf das Thema? Er schafft Verständnis – und vor allem eröffnet er die Frage, welche Impulse sich daraus für den eigenen Freundschaftsalltag ableiten lassen.

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Die US-Expertin Danielle Bayard Jackson beschreibt in ihrem Buch Fighting for Our Friendships drei “Kernprinzipien”, die sich eindeutig für den Aufbau und die Dynamik weiblicher Freundschaften feststellen liessen.

1. Symmetry – Ausgewogenheit & Gegenseitigkeit

Frauen prüfen intuitiv, ob eine Beziehung symmetrisch ist:

Haben wir eine ähnliche Lebensituation mit vergleichbaren Herausforderungen? Fühlen sich beide gesehen? Investitieren wir ähnlich viel Zeit, Energie und Interesse?

Hierbei gilt, dass wahrgenommene Gemeinsamkeiten – ob Werte, Humor, Lebensstil oder Verlässlichkeit – eindeutig dazu beitragen Vertrauen zu schaffen. Und interessanterweise hat sich gezeigt: Diese Ähnlichkeiten müssen noch nicht einmal objektiv bestehen. Das Gefühl von Gleichheit reicht oft aus, um Nähe entstehen zu lassen.

Doch genau hier entsteht dann auch Konfliktpotenzial: Verändert sich ein zentraler Bereich - etwa durch neue Prioritäten oder Lebensphasen - kann das Gleichgewicht ins Wanken geraten.

Und ebenso kann ein Zuviel an Gleichheit schwierig werden: wenn Erwartungen so eng werden, dass die eigene Autonomie keinen Platz mehr hat.

Zu wenig Gemeinsamkeit trennt - zu viel nimmt uns den Raum, wir selbst zu sein.

Natürlich schwankt in JEDER Freundschaft der Grad an Gleichheit immer wieder - auch als Ausdruck von Wachstum: Wir entwickeln uns, aber eben nicht immer gleichzeitig oder an denselben Themen.

Entscheidend ist, bewusst zu wählen, wo wir Gemeinsamkeiten suchen und in welchen Bereichen uns dies wichtig ist - um gleichzeitig an anderen Stellen dann Freiraum für Unterschiede zu lassen. Denn eines zeigte sich deutlich: das Bedürfnis nach Symmetrie und Augenhöhe stellt eine der Hauptquellen für Spannungen in Frauenfreundschaften dar.

2. Secrecy – Verschwiegenheit & Vertraulichkeit

Frauenfreundschaften leben stark von Selbstoffenbarung. Das Gefühl, alles sagen zu können, schafft emotionale Intimität. Doch gleichzeitig basiert diese Nähe auch auf einem stillen, jedoch entscheidenden Versprechen: Was ich dir anvertraue, bleibt bei dir.

Vertrauen bedeutet, persönliche Informationen sicher zu bewahren - und zwar ganz unabhängig von der aktuellen “Wetterlage” der Freundschaft.

Man darf sich dies wie ein “schützendes Dach” vorstellen: hierunter bringen sich beide Freundinnen mit ihren privaten Themen, Sorgen, Ängsten, intimen Gedanken und verschiedensten Gefühlen ein. Doch dieses Dach hält nur, wenn Vertraulichkeit eingehalten wird.

Wird das Vertrauen verletzt, entstehen Unsicherheit, Distanz oder tiefe Brüche - in jeder Beziehung- und ganz besonders in Frauenfreundschaften. Denn diese neigen auch oftmals zu deutlich mehr Selbstoffenbarungen, als zum Beispiel die der Männer.

Und auch hier zeigt sich, dass ein Ungleichgewicht im Teilen problematisch werden kann:
• zu wenig Offenheit wirkt schnell wie Ausschluss
• zu viel kann überfordern - als wäre man die “Therapeutin” oder der „emotionale Mülleimer“.

Wichtig ist daher, dass beide Freundinnen ein ähnliches Maß an Nähe, Tiefe und Tempo empfinden - und dass das, was geteilt wird, achtsam und sicher verwahrt bleibt.

3. Support – Unterstützung ohne Bedingungen

Eine der wichtigsten Eigenschaften, die Frauen in Freundschaften suchen und auch ausmacht, ist die emotionale Unterstützung.
Hierbei geht es ums Zuhören, Dasein und Mitfühlen – viel bedeutender als perfekte Lösungen ist die “Präsenz” der anderen.

Studien bestätigen dies eindeutig: Emotionale Unterstützung ist das Kriterium Nummer 1, das Frauen in weiblichen Freundschaften erwarten.

Freundinnen sind da, wenn es emotional schwieriger wird – bei Liebeskummer, Konflikten, Stress und all den emotionalen Höhen und Tiefen des Lebens. Und Unterstützung bedeutet hier sowohl das Zuhören, das Ernstnehmen der Gefühle und deren Bestätigung, als auch praktische Hilfe zu leisten.

Herausfordernd wird es hierbei es jedoch typischerweise bei folgendem Punkt: den Erwartungen an die Freundin. Vor zwar gerade dann, wenn sie unausgesprochen bleiben. Denn es zeigte sich, dass viele Frauen tatsächlich voraussetzen, dass die Freundin intuitiv schon weiß, wie die gewünschte Unterstützung aussehen soll - schließlich kennt man sich doch so gut.

Doch in Wahrheit sieht Unterstützung für jeden eben ganz anders aus. Deshalb stellt sich dann eben schon die Frage: Was wäre, wenn die Freundin genau wüsste, was ich mir von ihr wünsche oder was ich konkret brauche – weil ich es ausspreche? Würde sie mich dann nicht genauso unterstützen wollen?

Wenn wir es aussprechen, geben wir der anderen also vielmehr die Chance, uns so zu begleiten, wie wir es brauchen und wünschen.

Warum dieses Wissen hilft

Das bessere Verständnis dafür, wie Freundschaften funktionieren, kann helfen sie bewusster zu pflegen – und gegebenenfalls auch Konflikte früher einordnen.

Denn wie gesagt: Freundschaft passiert nicht einfach. Sie wächst aus Mut, Offenheit und der Bereitschaft, sich wirklich zu zeigen.

Und eines ist ganz klar: Freundschaften sind mehr als ein schöner Bonus. Sie geben Kraft, Resilienz, Freude – und sie prägen und beeinflussen uns auf allen Ebenen: körperlich, geistig und seelisch.

Drei Impulse für lebendige, stabile Freundschaften:

1. Mut zur Verletzlichkeit
Tiefe entsteht, wenn wir uns trauen, echte Gefühle zu teilen.

2. Priorität und Verbindlichkeit
Nicht „Wir sollten uns mal treffen“, sondern: „Mittwoch 18 Uhr?“

3. Klare Kommunikation – besonders bei Erwartungen
Die meisten Missverständnisse entstehen dort, wo nie ausgesprochen wurde, was man braucht.

Und Konflikte?

Sie sind definitiv kein Zeichen von Scheitern - sondern von Bedeutung.

Sie wirken so manches mal vielleicht bedrohlich, können aber ein Tor zu echter Tiefe sein. Wer bereit ist, Konflikte bewusst anzuschauen und zu gestalten, macht Freundschaft zu einem Ort des Wachstums.

Freundschaften wachsen nicht trotz, sondern durch Konflikte.

Freundschaft wirkt dabei oft wie ein Spiegel: Wir sehen, wer wir sind, wie wir zuhören, wie wir wirken…

“Wir alle haben Angst davor, eine Freundin zu verlieren. Deshalb vermeiden wir Streit - und genau das ist oft das Problem. Konflikte gehören dazu. Entscheidend ist, wie wir mit Ihnen umgehen.”

Doch leider - seien wir ehrlich - kann dieser Prozess trotz aller Bemühungen manchmal darin münden, dass wir Loslassen müssen oder wollen. Denn leider ist es wahr: Nicht jede Freundschaft ist für immer.

Dann bleibt Dankbarkeit für die gemeinsame Wegstrecke – sie hatte ihren Wert und ihren Sinn.

Frauenfreundschaften sind ein Ort, an dem wir erkennen, wer wir sind – und ebenso: wer wir werden können.


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